Obermeyer · Ahnenforschung in Ostwestfalen und Niedersachsen · Brauereiwerbemittel
 
 
 
Genealogische Gedichte

Gedichte im Zusammenhang mit der Genealogie


[1-10] [11-18] [Zurück]



Der Brunnengräber

Stich für Stich und Schicht um Schicht
fährt der Spaten in die Tiefe.
Von der Hacke vorgeschlagen
weicht der Boden, Erde, Steine,
fliegen auf im hohen Schwung.
Mannestief ist schon die Grube,
aller Aushub aus dem Schacht
wird in einem Ledereimer
mit der Kette aufgebracht,
als bei einem neuen Hube
zwischen Erde und Gestein
liegt Gebein.

Hier liegt einer frührer Zeiten,
liegt, als ob er ewig schliefe.
Von den Seinen hergetragen,
tief gebettete Gebeine,
zwingen zur Erinnerung:
Eines langen Lebens Tiefe,
tiefverwurzelt im Geschlecht
derer, die noch vorher waren
in der Kette aufgereiht,
ruht nun nach der Last von Jahren
zwischen Letten, Kies und Ton
ewig schon.

Hat der Gräber eingehalten
ob dem ungeheuren Gast,
der mit erdgen Augenhöhlen
seiner Seele Blicke faßt,
fragend nach Ermutigung.
"Einen Brunnen wollt ich graben
nach der Wünschelrute Zeig;
auf der Suche nach dem Wasser,
aus der Tiefe vieler Schichten
im Ergebnis meiner Mühn
mir zu ziehn".

Wie ein Wächter vor dem Tore
liegt der Freund vergangner Zeit.
Eine Hand weist wohl nach oben
hin in weite Ewigkeit,
wie ein Greifen nach dem Licht;
doch die Knochenhand zur Linken
hält in tiefren Schichten fest:
In Geschichten seiner Väter,
im Getriebe ihrer Zeit.
Wie ein Schlüssel steckt die Hand
tief im Sand.

Und der Gräber greift behutsam
dieses toten Freunds Gebein,
hebts und bettets bei der Linde
in des Stammes Boden ein.
Eingefahren in die Grube
und erneuernd Schlag auf Schlag,
hebt er mit dem Stein das Bette,
worauf lang der Alte lag.
Wie ein Tor führts in die Tiefe,
drunter strömt des Lebens Quell
klar und hell.

Eingesandt von: Manfred Thon
Quelle: Manfred Thon
Bemerkung: Erlaubnis zur Veröffentlichung
auf meiner Homepage
am 26.08.2004 erteilt




Herr Kreidlein ging, vor Jahren schon
mit fünfundsechszig in Pension;
aus Langeweile sah er drum,
sich bald nach einem neuen Hobby um.
Hierbei geriet er irgendwie
an seine Ahnengalerie.
Das war was wirklich Interessantes,
was völlig neues, Unbekanntes
und er beschloß sogleich, deswegen
sich einen Stammbaum anzulegen.
Er stöberte in Stadtarchiven,
in Chroniken, in alten Briefen;
nahm sich bei manchem Dorfpastor,
die dicken Kirchenbücher vor
und drang bei der Gelegenheit
weit, weit in die Vergangenheit.
Er fand zwei Schneider, einen Wirt,
vier Bauern, einen Schweinehirt,
je ein Küster, Müller, Bäcker,
drei Schmiede, einen Schieferdecker,
dann einen fürstlichen Lakai,
ein Postillon war auch dabei,
ein Vorfahr war sogar Minister,
zwei andere lebten als Magister,
dann gab es ein paar Grenadiere,
zwei Musikanten, zwei Barbiere,
drei Metzger, und im blinden Eifer,
fand er noch einen Scherenschleifer.
Es war ein Baum mit vielen Zweigen,
von Nebentrieben ganz zu schweigen,
Herr Kreidlein brauchte viel Papier,
viel Tinte und Geduld dafür.
Er kam bis fünfzehnhundertneun,
doch dann schien es vorbei zu sein,
denn hier versagten alle Quellen,
es war kein Ahn' mehr festzustellen.
D'rauf stieg Herr Kreidlein in den Zug,
der ihn ins ferne Hamburg trug,
zu Doktor, Doktor Dusterwald,
der als ein Fachexperte galt.
Er bat ihn in bewegten Worten,
des Stammbaums Wurzelpfad zu orten,
beziehungsweise jenen Mann,
mit dem die Reihe einst begann.
Der Doktor lächelte jovial;
"Verehrtester, nun geh`n Sie mal,
in unseren weltbekannten Zoo,
gleich vorne an, Abteilung zwo".
Herr Kreidlein fand das sonderbar,
doch weil er schon in Hamburg war,
begab er sich am gleichen Tag
zu Hagenbeck, ihn traf der Schlag!
Da saß in seiner Käfig - Villa
ein Affe, nämlich ein Gorilla,
er blickte traurig und verwundert
in unser zwanzigstes Jahrhundert,
fing Läuse und verschlang Bananen,
Herr Kreidlein forscht nicht mehr nach Ahnen.

Eingesandt von: Jens Seidel
Quelle: E. Finke




Wie die Väter einst gestritten,
was sie trugen und erlitten,
sagt euch der Geschichte Buch.
Laßt sie nicht zuschanden werden,
was der Väter Kraft auf Erden
einst begann,vollbringt es     ihr !

Eingesandt von: Jens Seidel
Quelle: Ernst von Wildenbruch,
deutscher Dramatiker,
1845-1909




Unwürdiges auf Titel pochen,
die an den Vätern man verehrt:
nicht mal dem Hund sind morsche Knochen
mehr als die frische Beute wert!

Eingesandt von: K.Gunter v.Kajdacsy
Quelle: Weisheit aus der Türkei




Die Bilder unserer Ahnen

Die Bilder unserer Ahnen,
die uns immer wieder mahnen,
dass auch unser kurzes Leben
nicht auf Dauer ist gegeben.
Ihre Mühen, ihre Nöte und Sorgen,
sind auch die unsren - jeden Morgen.
Was sie an Liebe und Hass hatten,
wirft heute bei uns seine Schatten.
Ihre Geschichte, ihr Glück und Erleiden,
können sich von unseren nie unterscheiden.
Sie wirken in uns, sind die gleichen geblieben.
Ihr Leben ist in das unsere geschrieben!
Und alle folgenden Generationen
haben die Ahnen in sich wohnen!
Ohne sie wären wir nicht hier,
warum wir auch, und ohne Gezier
sie alle so nehmen sollen, wie sie waren,
ohne viel unnötig trennende Gebahren,
Abwenden, Aufrechnen und Vergessen.
Wer ist schon so vermessen,
zu sagen: Wir sind von Fehlern frei?
Der sollte herabsteigen von seiner Kanzlei!
Wir sind vom selben Stamm, der selben Mutter,
vom selben Schiff, vom selben Kutter,
vom selben Vater, vom selben Baum,
vom selben Himmel, vom selben Traum.
Und wenn wir uns die Hände reichen
müssen Ängste und Sorgen weichen!
Egal aus welcher Stadt, aus welchem Land,
wir sind doch alle verwandt!

Quelle: Gisela H. Sanders
Bemerkung: Erlaubnis zur Veröffentlichung
auf meiner Homepage erteilt




Das alte Kirchenbuch

Du altes Buch mit den vergilbten Seiten,
wie weht es mich aus dir so wundereigen an!
Jahrhunderte sahst du vorübergleiten,
wie Meeresflut die Zeit verschäumte und zerrann.

Schlicht kündest du, was einstmals ist geschehen,
von Freuden, die das Herz so hoch und stolz geschwellt
von Leid und Not, die wie des Sturmes Wehen
so manches Menschenglück zersplittert und gefällt.

Wie Möwenflug geschwind entfliehn die Jahre,
Geschlechter blühn, verblühn, versinken und vergehn,
in diesem Buch die Wiege und die Bahre
zu engster Näh' geschmiegt oft bei einander stehn.

Heißt vieler, vieler Los nicht oft: Vergessen,
wenn man der Erde gab, was von der Erde war?
Im Kirchenbuch, so karg sein Raum bemessen,
nicht einer fehlt aus der jahrhundertlangen Schar.

Der erste Schrei, die frohe Feierstunde,
da aus der Menschenknospe ward ein christlich Reis
der Tag, an dem in der Gefährten Runde legte,
die hohe Zeit der Hoffnung rote Rosen trug
und Zukunftsmut die Herzen froh bewegte,
wieviel erzählst du mir, du längst zerschlissenes Buch!

Kein Friedhof zählt so viele Leichensteine,
wie du beweist des Tod's titanenhafte Macht,
das Leben trennt, ein jeder sucht das Seine,
der Tod vereint, nur e i n e Farbe kennt die Nacht.

Wer mag entfliehn des Todes dunklen Schwingen!
Auf einem Blatt stehn hier oft Ahn und Kindeskind
und Männer, Mütter, Mädchen, die da gingen
denselben Weg, auf dem wir alle Pilger sind.

Und die einstmals in diesem Buch geschrieben
von andrer Menschen Glück und Leid, das Gott geschickt,
die Handschrift zeigt's, sie wurden selbst zerrieben,
ihr eigner Name auch in gleichem Glied und Kreis,
zu End' ihr Amt, ihr Hassen und ihr Lieben,
von dessen Grund und Ziel der Herr allein nur weiß!

Vor mir verschwimmt in fernste Ewigkeiten,
die Zeit, die alles hält in ihrem strengen Bann.
Du altes Buch mit den vergilbten Seiten,
wie weht es mich aus dir so wundereigen an!

Eingesandt von: Gisela H. Sanders
Quelle: P. Boß,
Pastor in Büttel (Wesermünde)




Wenn deine Ahnen erzählen könnten ...

Wenn du deine Ahnen sehen könntest, wenn sie alle vor dir stünden,
wüsstest du mehr als ihre Daten, wann sie geboren, wann sie gingen?

Das alleine wär' zu wenig, bitte sei zu mehr bereit,
sie alle hatten vor dir ihr Leben, durchlebten alle Freud und Leid.

Wenn du deine Ahnen sehen könntest, wärst du auf sie stolz?
Wär'n Grafen, Ritter, Edelleut' und Bauern aus einem Holz?

Erfreut dich nur der eine, der im Licht der Helden steht,
oder grüßt du auch den armen Schlucker, der sein Brot umdreht?

Wenn du deine Ahnen erleben dürftest, in ihrer eignen Welt,
dann wüsstest du, was in ihrem Leben wirklich war von Wert.

Ein Dach, das die Familie schützt, ein Feuer, etwas Brot,
wenn Friede herrscht, kein Kind ist krank, dann ist auch keine Not.

Wenn du deine Ahnen treffen könntest, was sagten sie zu dir?
Dass du bald selbst ein Ahne bist, ein Name auf Papier.

Nun überleg dir, was man später sich von dir erzählen wird
und behandle jeden Ahnen mit dem Respekt, der ihm gebührt.

Quelle: unbekannt




Ich bin, gottlob, altadelig,
jedoch mein Sohn, das ärgert mich,
zählt einen Ahnen mehr als ich.

Quelle: Johann Christoph Friedrich Haug,
deutscher Philosoph,
1761-1829,
Epigrammatische Spiele 2,43




Chronik

Geschrieben steht auf einem von den Blättern,
den arg vergilbten, mit Gelehrtenschrift,
was Andres Arnold, Roßhirt hier, betrifft,
in längst veralteten, längst blassen Lettern:

Geboren siebzehnhundertvierzig. Dann geworben
um Magdalena Kümmerle. Getraut.
Am Haus des Lebens schlecht und recht gebaut.
Elf Kinder. Früh verwitwet. Spät gestorben.

Dies ist das Leben irgendeines Mannes,
und keiner sieht mehr dieses Lebens Spur,
und unsre späten Augen finden nur
im Kinderreihen dreimal stehn: Johannes.

Nur dies. Und wissen plötzlich die Geschichte
von diesem Leben, das uns eines war
wie alle sind, und das mit einem klar
im eignen Leide steht, im eignen Lichte:

Dreimal die Zeugungsnacht. Und dreimal schwanger.
Dreimal gebären. Dreimal erster Schrei.
Dreimal ein Kampf, wer hier der Stärkre sei:
Gott oder Roßhirt. Dreimal Totenanger.

Dreimal ein Kindergrab. Mit weißen Steinen
schön eingefaßt. Und Blumen. Und man kann
sie sonntags sehen. Einen großen Mann,
sein Weib daneben. Still, ganz ohne Weinen.

Und dreimal hier im Buch den gleichen Namen:
Johannes Arnold. Und das Kreuz besagt:
In Christi Namen schlafe, bis es tagt.
Du warst, Herr, und du bleibst der Sieger. Amen.

Quelle: Albrecht Goes,
deutscher Pfarrer und Schriftsteller,
1908-2000




Ein Blättchen Papier kann älter werden,
als das frischeste Maiblatt auf Gottes Erden,
als das flinkeste Gemslein am Felsenwall,
als das lockige Kind im lieblichen Tal.

Ein Blättchen Papier, weiß und mild,
ist oft das treueste, einzige Bild,
das der Mensch zurücklässt künftigen Zeiten,
da über seinen Staub die Urenkel schreiten.

Das Gebein ist zerstreut, der Grabstein verwittert,
das Haus ist zerfallen, die Werke zersplittert;
wer weist in der großen, ewigen Natur,
in der wir gewaltet, unsere Spur?
Neue Menschen ringen mit neuem Geschick,
keiner denkt an die alten zurück.

Da ist ein Blatt Papier mit seinen bleichen
Tintenstrichen oft das einzige Zeichen
von dem Wesen, das einst gelebt und gelitten,
gelacht, geweint, genossen, gestritten;
und der Gedanke, dem Herzen entsprossen
in Schmerz oder Lust und tollen Possen,
sinkt hier nieder, und der Ewigkeit Kuss
verhärtet ihn zu einem ewigen Gruß.

Oh, möge er geläutert in fernen Zeiten
wieder in die Herzen der Menschen gleiten!

Eingesandt von: Wolfgang Herms
Quelle: Peter Rosegger,
österreichischer Dichter,
1843-1918,
Aus: Die Schriften des Waldschulmeisters, 1875




[1-10] [11-18] [Zurück]


© 2004-2011 Dietmar Obermeyer
www.dietmar-obermeyer.de
Besucherzähler von PrimaWebtools.de